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Vertrauen

Da ist diese ganz enge Bindung, wenn ein Neugeborenes das Licht der Welt erblickt. Eine Symbiose zwischen Mutter und Kind und dem Vater als weitere, enge Bezugsperson. Ich erinnere mich an die Blicke unserer Töchter als sie klein waren. Es lag Urvertrauen in ihnen. Wenn sie nicht weiter wussten, Hilfe suchten, bei Kummer und Alpträumen waren wir ihr sicherer Hafen. Wie schön ist es, in einer intakten Familie aufzuwachsen und einen solchen Heimathafen zu haben. Und wie wichtig als Grundlage für die Entwicklung einer reifen Persönlichkeit. Ein Fundament, das trägt, wenn die Erkenntnis heraufdämmert, dass Eltern auch nur Menschen mit Ecken, Kanten und Grenzen sind. Nie wieder vertrauen wir so bedingungslos wie als kleine Kinder. Denn mit zunehmendem Bewusstsein werden wir ent-täuscht, fällt es uns wie Schuppen von den Augen. Wir schlendern nicht mehr in aller Unschuld und Sorglosigkeit wie Adam und Eva mit Gott durch den Garten Eden. Wir sind neugierig, probieren uns aus, bauen Mist, schieben die Schuld dem Anderen in die Schuhe und fliegen schon mal aus dem Paradies. Und auch das ist wichtig, so paradox es auch klingt. Denn so ist das Leben. Holprig und unperfekt - spannend, facettenreich und bunt. 

Seit meinem Rauswurf aus dem Paradies, seit ich ein erwachsener, meiner Selbst bewusster Mensch bin, merke ich, wie schwer mir die Sache mit dem Vertrauen fällt. 

 

Als unsere Kinder in ihren Babyjahren die Nächte zum Tag machten, scheinbar grundlos schrien und ich mich so unendlich hilflos und erschöpft fühlte, las ich von Entwicklungsschüben. Phasen, in denen Elternsein ein echter Kraftakt ist. Das weckte Hoffnung in mir, denn jede Phase geht einmal zu Ende. Und das war natürlich auch bei unseren Babys so. Aber ich glaube, es gab keine einzige dieser Phasen, in denen ich bis zum Ende vertraute, dass es wieder anders wird. Ruhe kehrte erst dann wieder ein, als ich den Worten des Buches keinen Glauben mehr schenkte. Jedes Mal, auch wenn ich noch so oft erlebt hatte, dass es sich nur um begrenzte Zeiten handelt.

 

Das Problem mit dem mangelnden Vertrauen. Es setzte sich bei der Suche nach einem Haus für unsere kleine Familie fort. Als meine Leberwerte verrückt spielten, was sich kein Arzt erklären konnte und ich mir sicher war, eine schlimme Krankheit zu haben. Beim Skifahren am vereisten Hang und zunehmender Dämmerung, als dann auch noch die Lifte den Betrieb einstellten. Ach, und in so vielen anderen ganz alltäglichen Situationen. 

 

Werft euer vertrauen nicht weg, welches eine große belohnung hat.(Hebräer 10:35)

Und dann ist da mein Glaube. Setzt der nicht kindliches Urvertrauen voraus? Nach dem Motto "Wenn ihr nicht werdet, wie die Kinder"? Wie soll das zusammengehen - meine vielen erwachsenen Erkenntnisse und die damit einhergehenden Fragezeichen und Zweifel einerseits und auf der anderen Seite der liebe Gott aus der Kinderbibel? 

 

Es geht nicht. Und das ist mir nicht erst seit gestern bewusst. Seitdem ringe ich und reibe ich mich an den kleinen und großen Fragen des Lebens und Glaubens. Manchmal meine ich, ohne das fundierte Wissen eines Theologiestudium nicht weiterzukommen. Dann erkenne ich, dass kein Wissen dieser Welt meine Fragen zufriedenstellend lösen wird. Denn sind sich nicht auch Theologen häufig uneins? 

 

So unbefriedigend es ist, ich habe keine Antwort gefunden. Nur die Erfahrung, dass alles Zweifeln und Fragen meinem Glauben nicht zu schaden scheint. Er verschwindet nicht, eher wird er weiter, offener und sehnsüchtiger. Die Sache mit dem Vertrauen scheint eine Schlüsselfrage zu sein. Vertrauen hat ja viel damit zu tun, ob ich jemandem zutraue, eine Situation gut  zu bewältigen. Und ich habe das Gefühl, Gott traut mir was zu. Mal gucken, wo das noch hinführt mit uns beiden. 

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Kommentare: 1
  • #1

    Iris (Donnerstag, 12 November 2020 08:20)

    Das ist super. Von dieser Seite habe ich das noch gar nicht gesehen. Ich bin gar nicht so „ hilflos“ indem ich vertraue oder es zumindest versuche, sondern Gott traut mir etwas zu. Meine Rolle in der Vertrauenssache ist also gar nicht so passiv. Dieser Gedanke gefällt mir.

    Liebe Grüsse