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Zu Besuch daheim

Wenn sich der Geburtstag meines Mannes oder Weihnachten nähern, habe ich ein Problem. Wie früher schon bei meinem Vater, fällt es mir meistens schwerer, ein passendes Geschenk für ein männliches Familienmitglied zu finden als für ein weibliches. Aber, auch wenn wir erwachsen sind, keine Geschenke geht bei mir gar nicht. Wir haben ja sogar alle vier einen eigenen Adventskalender. Unsere Älteste bekommt von ihrer Patin oft ein Event geschenkt. Gemeinsame Zeit, zum Beispiel ein Konzertbesuch oder - im Pferdefanalter - Apassionata. Ich finde die Idee sehr schön, aber sie hat auch Tücken. So beschenkte ich meinen angelbegeisterten Mann vor vielleicht zwei Jahren mit einem Gutschein fürs Fliegenfischen. Wie bereits erwähnt, hat er im Oktober Geburtstag und ruck zuck war die Saison rum. Irgendwie hat er den Gutschein immer noch nicht eingelöst. Genauso wie eine Zehnerkarte fürs Fitnessstudio, von der ich hoffe, dass sie noch lange gültig ist. 

 

Ich habe mich also nicht ganz wohl gefühlt, schon wieder "Zeit und Event" zu verschenken. Aber mangels Ideen erinnerte ich mich an Thilos vor Jahren geäußerten Wunsch, einmal in der Nürnberger Burg zu übernachten. Nürnberg, unsere nächstgelegene Großstadt, ist etwa 15 km entfernt. Beim Buchen kam ich mir schon etwas komisch vor. Was sich die Leute an der Rezeption wohl dachten? Aber, warum eigentlich nicht? Die Mädels äußerten mehr Interesse an der sturmfreien Bude als am Familientrip in die Burg und so ein Wochenende zu zweit hat ja auch was. Ich begann, mich für die Idee zu erwärmen und machte mich an die Online-Recherche. Kann ja nicht sein, dass wir uns in Madrid besser auskennen als in Nürnberg, weil man sich als Tourist intensiv mit einer Stadt beschäftigt und das, was vor der eigenen Nase ist, so wenig beachtet. Ich schnürte also ein Paket aus Burg, Stadtführung mit der in Geschichte promovierten Nachtwächterin und obendrauf gab es am nächsten Tag noch ein Heimspiel des 1. FCN. Als ich die Karten kaufte, entdeckte ich auf der Homepage des Clubs noch die Möglichkeit einer Stadionführung. Die hatte sich mein Mann in Madrid auch gewünscht, sich den Spaß aber dann verkniffen. Er wollte nicht ohne die Familie, die Mädels zogen nicht so recht und eine Karte kostete stolze 60 €. Also jetzt eine Stadionführung beim Club. Nicht ganz vergleichbar mit dem Estadio Santiago Bernabéu, aber als FCN-Fan durchaus reizvoll. 

 

Der Plan stand: Shoppingtour am Nachmittag, abends Stadtführung mit der Nachtwächterin, dann schön essen gehen, Übernachtung in der Burg, am nächsten Tag Stadionführung und Fußballspiel. Wir packten einen kleinen Koffer und los ging´s ...

 

 

Hach, Nürnberg ist wunderbar! Wussten wir ja eigentlich schon. Aber diesmal ließen wir uns wie Touristen durch die Stadt treiben. Die Unterkunftsmöglichkeit in der Burg ist ein Jugendherberge, die vor ein paar Jahren renoviert wurde und wirklich zu einer der schönsten Deutschlands zählt. Sie thront hoch über der Stadt und wir hatten einen fantastischen Blick aus unserem kleinen Dachfenster im sechsten Stock. 

Es ist schon fast ein nostalgisches Gefühl, Doppelstockbetten vorzufinden und die Betten selbst zu beziehen. 🤣 Nicht gerade romantisch, aber dafür bekommt man ein echtes Burgerlebnis. 

 

 

Beim Stadtbummel erwischte mich das Touristen-Feeling. Ich fotografierte Nürnberg, die Stadt, in der ich studiert habe und die mir auch sonst sehr vertraut ist. Statt achtlos an den Sehenswürdigkeiten vorbeizuschlendern, nahm ich mir Zeit, den Schönen Brunnen, die Kaiserburg, die Kirchen und die schönen Fachwerkhäuser bewusst wahrzunehmen und festzuhalten. Wir gönnten uns Cappuccino und Kuchen und ließen uns weitertreiben. 

 

Nach Einbruch der Dunkelheit erwartete uns die Nachtwächterin. Wir folgten ihrem Laternenlicht - nein, leider hat sie die Laterne wohl aus Altersgründen inzwischen gegen eine profane Taschenlampe eingetauscht - und erfuhren mehr über Nürnbergs Handelsbeziehungen im Mittelalter, Liebesdramen und Skandale der damaligen High Society.

 

 

Für das Abendessen hatte sich Thilo an die Empfehlung eines ehemaligen Arbeitskollegen erinnert. Wir suchten das Prison St. Michel und liefen erstmal daran vorbei. Von der Straße aus gesehen, ist es winzig, im Inneren verzweigt sich dieses bezaubernde Restaurant über viele Winkel und Treppen und bietet erstaunlich viel Platz. Wir folgten dem charmanten Kellner mit dem französischen Akzent über Stufen und Ecken durch das von Kerzen erleuchtete Restaurant bis zu unserem Tisch, wo wir dann wie Gott in Frankreich schlemmten und es uns gut gehen ließen. Sogar ein Rosenverkäufer kam vorbei, ganz wie im Urlaub. 

 

 

Wenn du mal in Nürnberg bist und keine Aversion gegen Doppelstockbetten hast, kann ich dir eine Übernachtung in der Burg wirklich nur ans Herz legen. Als hätten wir am Abend nicht schon genug gegessen, bot das Frühstücksbuffet der Jugendherberge samt Profi-Kaffeevollautomat alles, was man sich nur wünschen kann. Dazu ist das Ambiente in den historischen Räumen zwischen Sandstein und geschmackvoller, moderner Holzmöblierung unschlagbar. 

 

Als nächstes stand die Stadionführung beim 1. FCN auf dem Programm. Unser Guide, ein Franke wie er leibt und lebt, sorgte mit seinem fränkischen Humor und Dialekt für ein authentisches Erlebnis. Ich muss gestehen, dass ich diese Führung vor allem für meinen Mann gebucht und selbst nicht zu viel erwartet hatte. Die zweistündige Tour war eine sehr positive Überraschung. Ganz unten vor dem heiligen Rasen zu stehen, in die (noch leeren) Zuschauerränge zu blicken, den Kameraleuten bei ihrer Arbeit zuzusehen, auf der Trainerbank zu sitzen, hat etwas. Richtig interessant war aber auch der Einblick in die wirklich vielfältigen Aufgabenbereiche der Mitarbeiter. Der Stadionsprecher stellte uns den Programmablauf eines Spieltages vor, minutiös geplant und abgestimmt. In der Stadionwache gibt es Arrestzellen zu sehen, getrennt nach Männlein und Weiblein, Heim- und Auswärtsfans. Die Polizei verfügt über technisch ausgefeilte Überwachungssysteme. Im VIP-Bereich sind die Zuschauersitze gepolstert und es gibt etwas zu essen. Vom Erste-Hilfe-Raum über den Rollstuhlfahrerzugang bis hin zum Pressebereich und dem Parkplatz der Mannschaftsbusse führte die Tour und sorgte dafür, dass ich das Stadion beim nächsten Heimspiel garantiert mit anderen Augen sehen werde. 

 

 

Das eigentliche Fußballspiel war leider ein Desaster, 1:5 gegen Arminia Bielefeld. Aber als echter "Glubberer" ist man ja Kummer gewöhnt und "bereut diese Liebe nicht". 

 

Zu Gast in der "eigenen" Stadt war ein echtes Erlebnis, ohne lange Anreise und größeren Aufwand. Ich kann es eigentlich nur empfehlen. 

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