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Wie im Film

Rückblick auf zwei Wochen "wir bleiben zuHause"

 

Seit zwei Wochen leben wir wie im Film. Im falschen Film. Zumindest kommt es mir so vor. Die Nachrichten bringen jeden Abend erschreckende Zahlen und Bilder in unser Wohnzimmer. Ich schlafe schlecht ein und wache nachts immer wieder auf. Beim Wocheneinkauf fühle ich mich von fremden Menschen bedrängt. Toilettenpapier ist wieder zu haben, dafür gibt es keine Küchenrolle mehr. Der Gedanke, dass "Zewa wisch und weg" jetzt auf diversen Klopapierrollen steckt, lässt mich grinsen. Und das ist wieder so normal. Unser Leben ist irgendwie auch noch völlig normal, von den unerwarteten (Nicht-)Ferien mal abgesehen. Und dann auch wieder nicht … und zwar im positiven Sinn. Schul- und Basketballveranstaltungen sind lahmgelegt und das entschleunigt unser Leben enorm. Ich muss zugeben, es hat etwas von erleichtertem Aufatmen und ich frage mich, wie es nach Corona weitergehen wird. Nehmen wir unser Leben wieder im gewohnten Tempo auf oder wird etwas anders sein?

 

 

Irgendwo habe ich kürzlich gelesen, das Leben sei momentan ambivalent. Das bringt meine Gefühle auf den Punkt. Ich fühle mich verängstigt von Infektionszahlen und Nachrichtenbildern, gleichzeitig ruhig und behütet in unserem Zuhause und in meinem Glauben. Ich erlebe mein Leben als angenehm entschleunigt, was unsere normalen Freizeitgewohnheiten anbelangt, und beschleunigt im Hinsicht auf den Job. Zwar fahre ich momentan nur einmal in der Woche zur Schule, um Büroarbeiten zu erledigen, alles andere läuft aber von zu Hause aus. Und das ist nicht weniger. Obwohl ich mich eigentlich als strukturierten Menschen bezeichnen würde, habe ich es immer noch nicht geschafft, Struktur in diesen besonderen Alltag zu bringen. Ich stelle Unterricht auf E-Mail-kompatible Stoffvermittlung um, arbeite mich in digitale Medien ein, korrigiere Schüleraufgaben und Praxisberichte, grüble nachts, wie lange dieser Zustand wohl noch anhält und was das für die Abschlussprüfungen meiner Schüler/innen bedeutet. Es gelingt mir nur schlecht abzuschalten. Vorgestern habe ich die halbe Nacht arbeitend am PC verbracht, weil ich einfach nicht schlafen konnte. Wobei das einen gewissen Vorteil hat. Weil wir hier nur einen PC und ein Laptop haben, verhandeln wir, wer wann an den Rechner darf. Alle weiblichen Mitglieder der Familie müssen was für die Schule tun, während mein Mann sich immer noch täglich auf den Weg ins Büro macht. 

 

 

Selbst das Radio fordert dazu auf, bitte möglichst daheim zu bleiben. In den letzten beiden Wochen sind wir kreativ geworden, was freie Zeit betrifft. Mit unserer Fahrschülerin (Sophia hat vor Corona ihre ersten beiden Theoriestunden gehabt) auf dem Verkehrsübungsplatz - ein besonderes Erlebnis. Hut ab vor allen Fahrlehrern. Nicht missverstehen, sie hat das gar nicht schlecht gemacht und ist im ersten Gang langsam über den fast leeren Platz gefahren. Aber das zur Untätigkeit verurteilte Danebensitzen empfand ich anfangs als echte Herausforderung. Keine Kontrolle mehr haben und vertrauen - ist das nicht beinahe symbolisch für die momentane Zeit?

 

Gleich zu Beginn der "Corona-Ferien" habe ich Lina gefragt, ob sie mal wieder Lust auf Bible Art Journaling hätte und mich riesig gefreut, dass sie ohne zu Zögern zusagte. Geschafft  haben wir es dann tatsächlich erst in der zweiten Woche. Wir entschieden uns für Psalm 27,1 "Der Herr ist mein Licht und mein Heil - vor wem sollte ich mich fürchten? Der Herr beschützt mich vor Gefahr - vor wem sollte ich mich erschrecken?", belagerten den kompletten Esstisch und führten Gespräche über Gott, die Welt und Corona. Eine gesegnete Zeit!

 

 

Und noch einen Nebeneffekt hat die Zeit der Isolation: Wir backen und schlemmen: Schokobrunnen (immerhin bekommt man so ohne Gemecker etwas Vitamine in die Kinder), Haferkekse, Himbeertarte … . Ich muss wirklich aufpassen, dass ich nach Corona nicht kugelrund aus dem Haus rolle, denn im Gegensatz zu meinen Töchtern achte ich nicht auf sportlichen Ausgleich. Die beiden kompensieren ihren Trainingsentzug mit Workouts. Stilecht gekleidet in TV 1877-Kluft, Koordinationsleiter, Hanteln, Basketball und sogar die Trinkflaschen fehlen nicht. Das beste Workout findet hier Donnerstag abends statt. Bisher bin ich ja immer aus dem Wohnzimmer geflohen, wenn "Germanys next Topmodel" lief. Momentan lache ich mich schlapp, denn das selbst kreierte Trainingsprogramm meiner Töchter sieht fünf Kniebeugen vor, wenn jemand kreischt, zehn Sit-ups bei Heidis: "Nur eine kann Germanys next Topmodel werden", fünf Mountain Climber (was auch immer das ist) bei "Ich habe leider kein Foto für dich" usw. Sie kommen ganz schön ins Schwitzen. Herrlich! Da kann man auch mal im Wohnzimmer bleiben. 

 

 

Und so sieht´ s gerade bei mir an der Schule aus: Le(e)(h)rer Parkplatz, Stille in den Gängen, vereinzelte Begegnungen (unsere Sekretärin hält die Stellung, Maler - die Klassenzimmer werden gestrichen, der Geschäftsführer). Wenn das Leben zu Hause auch fast normal erscheint, hier wird es wieder surreal. 

 

 

Kürzlich kam eine Freundin mit ihrer Tochter vorbeispaziert, blieb in angemessenem Abstand vor der Tür stehen und wir quatschten ein Viertelstündchen. Die Mädels tauschten Bücher aus - auf die Treppe stellen, zurückgehen, nehmen. Seltsam. Aber so schön, sich mal wieder von Angesicht zu Angesicht zu begegnen. Zwei Tage später eine andere Freundin, die für die christliche Buchhandlung am Ort arbeitet und uns Konfirmations-Erinnerungsalben zur Auswahl vorbeibrachte. Ach ja, die Konfirmation. Leider gibt es keinerlei klare Aussage darüber, wie und wann sie stattfindet. Geplant ist der 26. April, aber daran glaubt hier keiner mehr. Ich hoffe auf eine Verschiebung in den Sommer. Dann können wir im Garten Kaffee trinken und feiern, dass wir alle gesund wieder zusammenkommen dürfen. Die Vorstellung gefällt mir. 

 

irgendwann sehen wir uns alle wieder - lachen, tanzen und feiern miteinander. bis dahin bleibt behütet !

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