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Inseltage

Schreibexerzitien auf Norderney - ich habe euch ja im letzten Blogbeitrag von meiner Vorfreude erzählt. Viel hatte ich erwartet und noch viel mehr bekommen. Ich schwebe gerade zwischen der großen Erfüllung, die diese besondere Zeit in mir hinterlassen hat und dem Beginn des ganz normalen Alltags. Vielleicht nicht ganz so normal dieser Tage bei uns, denn während ich auf der Insel war, geschrieben, genossen und gestaunt habe, wurde hier zu Hause unser Badezimmer herausgerissen. Es gleicht im Moment dem Rohbauzustand. Wir teilen uns die nächsten Wochen zu viert unser Gäste-WC und die Dusche im Keller. Es ist sehr gewöhnungsbedürftig und andererseits erinnere ich mich an die ungläubigen Blicke einer jungen Frau aus dem Jemen, die vor einigen Jahren ein paar Möbel von uns bekommen hat und beim Laufen durch unser Haus immer wieder fragte, ob hier wirklich nur vier Personen wohnen. Es ist eben alles eine Frage der Perspektive. Hier ein kleiner Fotoeinblick in unsere baulichen Aktivitäten und das Ersatz-"Bad".

Schreibexerzitien auf Norderney - so komisch sich das nach einer Veranstaltung anhört, die sich dem Schreiben widmete, mir fehlen irgendwie einfach noch die Worte. 

15 Frauen waren aus den verschiedensten Ecken Deutschlands und darüber hinaus angereist. Von Zürich bis zum hohen Norden. Am Anfang waren wir Fremde, am Schluss Inselschwestern (danke, Mirjam, für dieses schöne Wort, was ich mir an dieser Stelle einfach mal von dir leihe). 

 

Einmal quer durch Deutschland reisen und dann ankommen. Auf Norderney erwarteten mich neben einem liebevoll vorbereiteten Workshop und vierzehn tollen Frauen Wind und Wetter. Grauer Himmel, graues Meer, stürmischer Wind. 

Aus meinen Aufzeichnungen:

 

Worte in die Waagschale werfen
Seelenworte suchen
Meereslyrik
WortSchätze heben
geschriebene Gefühle teilen ... - Es ist so schön hier.

In den Tagen vor meiner Anreise muss Königswetter geherrscht haben. Sonne satt und traumhafte Sonnenuntergänge über dem Meer. Jetzt bin ich hier und es regnet und stürmt. Der Himmel ist so grau wie das Meer. Schietwetter. Es mag an dem wunderbaren Schreibseminar liegen oder der Frauengruppe oder ... - ich liebe es. Nass bis auf die Haut werden, den kalten Wind im Gesicht spüren, dass es fast weh tut, ins brausende Meer gucken, das salzige Wasser schmecken, Muscheln sammeln wie als Kind, nasse Hosenbeine bekommen. Das Wetter ist frech und wild und wunderbar und ich genieße es mit allen Poren, so paradox das sein mag. Und dann: nach drinnen ins Warme kommen, zugucken, wie die Sahne Wölkchen im Tee entstehen lässt, Kekse knabbern, Tee schlürfen und in eine Decke gekuschelt Eindrücke und Gedanken zu Papier bringen.

Immer wieder entdecke ich in diesen Tagen auf Norderney Parallelen zu meinem Buch "Stroh zu Gold - Entdecken, was mein Leben wertvoll macht". Hier werden gerade so viele Goldfäden in meinen Lebensteppich gewoben. Durch Begegnungen und Gespräche, Natur und Stille, Denkanstöße und Rituale.


Auch das Thema Zerbrochenheit gehört dazu. Wir haben heute verbrannt, was uns beschwert und duftendes Öl auf die Asche getropft. Uns auf die Suche nach Zer-/Abgebrochenem gemacht und die Bruchstellen mit Gold veredelt. "There is a crack in everything. That's how the light gets in." (Leonhard Cohen)

☆ Lichtträger
☆ Gesalbte und Gesandte
☆ Salz und Licht
☆ Königinnen

Heilige Momente ...

 

Ich stand im Sturm - Wind und Wetter zerrten an meinem Körper - und wiederholte die Worte, die uns Hanna am Morgen in der Kirche mitgegeben hatte. Meine Füße - ich bin sicher, mein Becken - ich bin voller Vertrauen, mein Bauch - ich bin stark, meine Brust - ich bin gelassen, mein Herz - ich bin geliebt, meine Stirn - ich bin frei, mein Scheitel - ich bin wertvoll. 

 

Ich schrieb mein Wort des Jahres "reifen" in den Sand und füllte es mit Bedeutung:

R egen

E ntwicklung

I  nsel

F els in der Brandung

E ntdeckungen

N eubeginn

 

Nach Wolken, Wind und Regen kam die Sonne heraus und schenkte uns einen wunderschönen zweiten Inseltag mit herrlichem Sonnenuntergang.

 

Vom Meer berauscht

Schaumkronen glitzern im Sonnenlicht.

Vom Wind geküsst

das Leben spüren. 

 

 

Ich schrieb jeden Morgen Morning Pages. Am Anfang handelten sie noch von Müdigkeit und störrischen Stiften. Dann kam "von guten Mächten wunderbar geborgen" durch und schließlich entdeckte ich sie - dicke, wärmende, goldene Fäden in meinem Lebensteppich. 

Einen wunderbaren Nachmittag erlebte ich mit zwei inspirierenden Frauen. Drei Königinnen, die über die Bedeutung von Gold, Weihrauch und Myrrhe in ihrem Leben nachsannen und sich dabei sehr nahe kamen. Vielen Dank, Iris und Andrea! Ich werde diese Stunden in ganz besonderer Erinnerung behalten. 

Viel zu schnell kam der letzte Abend. In einem Gottesdienst breiteten wir noch einmal unsere WortSchätze vor einander aus und wurden mit Kronenlichtern in die Nacht verabschiedet. Sie standen eingereiht in einen Kreis von fünfzehn Kronen auf dem Taufbecken von St. Ludgerus. Von dort aus haben wir alle unser Licht nach Hause getragen - vom hohen Norden bis nach Zürich. Jede in ihren Ort. Lichtträgerinnen - Inselschwestern - Gesegnete.

Zum Abschluss gebe ich euch einen Text von Hanna weiter, der mich sehr berührt hat. Und dann kommt ihr nicht um ein paar weitere Inselbilder herum. Weil´s so schön war!

 

Seelenverwandte (von Hanna Buiting)

Und als sie vor ihm standen, diese zwei, am sechsten Tag, da betrachtete Gott sie noch einmal eingehend. Prüfte, ob er auch an alles gedacht hatte. Und entschied sich nach einer guten Bilanz für noch ein bisschen mehr Glanz. Er legte ihn in ihre Augen. Und spiegelte sich selbst darin. Bis heute ist das so.

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Kommentare: 1
  • #1

    Mirjam (Freitag, 10 Januar 2020 10:10)

    Wie schön, Nici, deine Bilder und Worte. Heute vor einer Woche ... Auch wenn es heißt, Worte sind Schall und Rauch - was wir da empfangen haben, duftet verdächtig nach etwas, das ewig bei uns bleibt. Everglow* Herzliche Schwesterngrüße